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Gut zu wissen

Tod eines Handlungsreisenden (1)

Welche Fragen werden mir als Berater, Trainer und Coach für B2B-Unternehmen  am häufigsten gestellt? Unternehmensübergreifend, von Teilnehmern, Auftraggebern und Klienten, Menschen die oft im Zuge der Zusammenarbeit zu Vertrauten, manchmal Freunden werden.

In meinem Erleben gibt es, gab es zwei ganz klare Favoriten.

Die erste Frage beschäftigt sich mit der Gegenwart und dreht sich um Kompetenzen und Erfolgsfaktoren. Sie lautet sinngemäß:

„Welche Eigenschaften zeichnen einen Top-Verkäufer eigentlich aus, bzw. was haben die erfolgreichsten Verkäufer gemeinsam?“

Die zweite Frage geht eher in Richtung Zukunft und lautet sinngemäß:

„Wie wird sich die Aufgabe des Verkäufers verändern? Was werden die Anforderungen und Aufgaben der Zukunft sein? Welche Tendenzen siehst Du ?“

Dieses Interesse für die Zukunft hat mich Anfangs überrascht, gleichzeitig: auch auf mich übt die Zukunft eine große Faszination aus. Daher beschäftige ich mich im Rahmen dieses Beitrages insbesondere mit der zweiten Fragestellung. Auch, um nicht nur mit „42“ (2) oder mit „Prognosen sind schwierig, insbesondere, wenn Sie die Zukunft betreffen“ zu antworten. Dieses Zitat geht übrigens auf Winston Churchill zurück. Oder Niels Bohr. Oder, wie so oft, Mark Twain. Die Fachwelt ist hier uneins.

Hier also mein Versuch einer Prognose.

Der „Technische Verkauf“

Schauen wir zuerst zurück. In der Zeit von 1970 bis 1990 (und wahrscheinlich auch davor, da war mein Erleben jedoch naturgemäß noch sehr eingeschränkt…?) erlebten wir eine Art des Verkaufens, die wir bei PLUS.EFFEKT® als Technischen Verkauf“ bezeichnen. Verkäufer waren aus Kundensicht die Informationsquelle, wenn es um den Erwerb von Produkten ging. Dementsprechend war zu dieser Zeit der Verkäufer erfolgreich, der es verstand, diese Informationen in geeigneter Form zu präsentieren. So das dem Kunden auf Basis dieses für Ihn neuen Wissens eine Kauf-Entscheidung möglich wurde.

Kleine Randbemerkung: Dieses Informationsgefälle führte auf Kundenseite zu einer gefühlten Intransparenz bzw. der latenten Frage: „Erzählt der oder die mir jetzt eigentlich alles oder nur den Teil der Informationen, die mich zum Kauf veranlassen soll? Wird mir hier etwas vorenthalten?“. Aus dieser Fragestellung entwickelte sich unserer Meinung nach das heute nach wie vor schlechte Image des Verkäufers in Deutschland. Geprägt durch Skepsis bzw. „Gesundes Misstrauen“ gegenüber diesem, unserem Berufsstand. Daher beschäftigen wir uns am Anfang jeden Verkaufstrainings übrigens mit Fragen der Ethik und des Selbstverständnisses im Verkauf.

Zurück zum „Technischen Verkauf“. Maßgeblich für die Kaufentscheidung war der Umgang mit Informationen, das Produkt betreffend. Kommunikationspsychologische Aspekte wurden hier noch wenig beachtet. Wenn überhaupt fanden Holzschnitt-artige Modelle, wie Typologien oder die berühmt/berüchtigte „Ja-Straße“ (3) Anwendung.

Das änderte sich zum Ende der 1980er Jahr. Die Produktdichte wurde größer, eine alleinige Unterscheidung von Produkten anhand ihrer technischen Details genügte nun oft nicht mehr, sich auszuzeichnen und den Kunden zu einem Kauf zu veranlassen. Zentrales Gut wurde die Beziehung zum Kunden und das Verstehen seiner/ihrer Bedürfnisse.

Der „Virtuose Verkauf“

Eine größere Bedeutung bekamen daher kommunikationspsychologische Aspekte. Verkäufer wurden umfangreich trainiert, z.B. in Kommunikationsmodellen, Verkaufsprozessen und Verkaufstechniken. Ziel war eine neue, ausgeweitete Kompetenz, nahezu Kunstfertigkeit im Umgang mit verschiedenen Kunden, Ausgangssituationen und Kommunikation im Allgemeinen. Daher bezeichnen wir diese, sich an den „Technischen Verkauf“ anschließende Phase als „Virtuosen Verkauf“. Sie begann ca. 1990 und dauert, in unterschiedlicher Ausprägung, bis heute an.

Doch „Virtuoser Verkauf“ allein genügt im Zeitalter der Digitalisierung nicht mehr. Verkäufer haben ihren früheren Informationsvorsprung gegenüber dem Kunden meist verloren, die Produktdichte ist durch die Internationalisierung ins Unermessliche gestiegen. Das Entscheidungsumfeld ist somit wesentlich komplexer geworden, da weitaus mehr Informationen in immer kürzerer Zeit zur Kaufentscheidung herangezogen werden. Einkaufsprozesse auf Kundenseite und Verkaufsprozesse auf Verkäuferseite wollen produktiv miteinander verzahnt werden, sofern die letztgenannten eine Chance auf Erfolg haben sollen.

Wir reden also nicht mehr nur über Produktinformationen und Kundenbedürfnisse sondern über Stakeholder, Buying-Center und sich dynamisch verändernde Einkaufskriterien in einer sich insgesamt dynamisch verändernden Welt. Einkauf und Verkauf haben eine gesteigerte Komplexität gemeinsam zu bewältigen, und das meist unter Zeitdruck. Mit „Technischem“– oder „Virtuosem Verkauf“  allein ist dieser Komplexität nicht mehr beizukommen.

Der „Integrative Verkauf“

Unserer Meinung nach ist daher zwischen 2010 und 2015 eine neue Ära des Verkaufs angebrochen. Diese bezeichnen wir als „Integrativen Verkauf“. Integrativ verkaufen heißt, alle zuletzt genannten Aspekte, Menschen und Dynamiken zu berücksichtigen und in den Verkaufsprozess zu integrieren. Im besten Falle auf diesem Wege eine symbiotische Beziehung mit dem Kunden einzugehen, die diesem eine Entscheidungsfindung ermöglicht bzw. leichter macht. Wir meinen, das ist der Verkauf der nahen Zukunft.

Als typische Anforderungen an den Integrativen Verkäufer sehen wir die folgenden:

  • Orientierungswissen & Analytische Kompetenz (Muster intern und extern erkennen)
  • Emotionale Kompetenz und Vertrauen
  • Gesunde Skepsis sich selbst gegenüber
  • Kanalübergreifende Medienkompetenz
  • Achtsamkeit und Empathie
  • Fragekompetenz

Zudem zeichnet sich der Verkäufer zusätzlich zur  virtuosen Meisterschaft durch eine integrierende Teamdenke aus. Insbesondere anhand dieses Punktes wird klar, dass die Entscheidung für einen „Integrativen Verkauf“ zuerst auf Ebene des Managements getroffen werde sollte.

Und was kommt danach? So in 10…20 Jahren? Nun…da würde ich dann doch gern Churchill zitieren…?. Oder Twain oder…

Oder Sie fragen mich in ein paar Jahren nochmal. Die Dynamik unserer Welt ist eine so stark ausgeprägte, da scheinen mir Langzeit-Prognosen recht gewagt. Übrigens…auch das eine Anforderung an den integrativen Verkäufer: In einer vernetzten und sich dynamisch verändernden Welt Richtungsentscheidungen zu treffen. Trotz Komplexität und Unsicherheit einen Weg eigenverantwortlich zu gehen – darum wird es gehen. Bzw. darum geht es auch jetzt schon.

Abschließend, quasi als kleine Revanche, eine Frage auch an Sie: Inwieweit beobachten Sie die o.g. Anforderungen auch in Ihrem Umfeld oder Unternehmen? Ich bin sehr gespannt auf Ihre Rückmeldungen, z.B. in untenstehendem Kommentarfeld oder auch per Mail.

Herzliche Grüße

Hardy Scholtyssek

PS:

Ein Herzlicher Dank gilt meinem lieben Kollegen, Dr.Kai Osternack, für die Anregung, diesen Beitrag zu verfassen!

Quellen:

  1. „Tod eines Handlungsreisenden“, Artur Miller, 1949
  2. „Per Anhalter durch die Galaxys“, Douglas Adams, 1978
  3. „Ja-Strasse“, z.B. Eskil Burck, 2017

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